Computational Ecology
Computational Ecology
Im Forschungsbereich Computational Ecology kombinieren wir ökologische Fragestellungen mit datengetriebenen und mathematisch-modellierenden Ansätzen, um dynamische Prozesse in mikrobiellen Gemeinschaften besser zu verstehen. Der Schwerpunkt liegt auf der Analyse mariner Zeitreihen aus arktischen Ökosystemen, wobei Methoden aus der Netzwerktheorie, maschinellem Lernen und Umweltmodellierung zum Einsatz kommen. Ziel ist es, ökologische Stabilität zu quantifizieren, Schlüsselorganismen zu identifizieren und Veränderungen in arktischen Meeresökosystemen besser vorhersagen zu können.
Obwohl der Fokus unserer Forschung auf der Arktis liegt, führen wir auch vergleichende Analysen mit anderen marinen Zeitreihen durch, beispielsweise aus atlantischen, subpolaren oder temperierten Regionen. Ziel ist es, allgemeine Muster mikrobieller Dynamik besser zu verstehen. Die an dieser Stelle angewendeten Methoden lassen sich auf weitere ökologische Systeme übertragen, beispielsweise auf Boden- oder Pflanzenmikrobiome, wie sie im Rahmen von CEPLAS untersucht werden.
Unsere Arbeitsweise ist stark interdisziplinär und basiert auf langfristiger Zusammenarbeit mit biologischen, ozeanographischen und datenwissenschaftlichen Partnerinstitutionen. Bachelor- und Masterstudierende sind aktiv in viele dieser Projekte eingebunden und arbeiten mit uns an Datenanalysen, Methodenetwicklung und Visualisierungen.
Zeitreihenanalyse
Die Analyse ökologischer Zeitreihen ist eine zentrale Methode, um saisonale, interannuelle oder klimabedingte Veränderungen in mikrobiellen Gemeinschaften aufzudecken. Wir verwenden hochauflösende Langzeitdaten aus dem remote access sampler (RAS), die im Arktischen und Atlantischen Ozean stationiert sind und kontinuierlich biologische sowie physikalische Parameter messen. Diese Daten umfassen nicht nur mikrobielle Abundanzen (basierend auf Amplicon-Sequenzierung), sondern auch Umweltfaktoren wie Temperatur, Salzgehalt, Sauerstoff oder Eisbedeckung.
Mithilfe von Fourier-Transformation, Clusteringtechniken, rekurrenten Modellen und Ähnlichkeitsanalysen rekonstruieren wir Aktivitätsmuster, stabilitätsrelevante Perioden und Übergänge zwischen Systemzuständen. Ziel ist die Aufklärung von Regulationsmechanismen und ökologischen Kipppunkten.
Methoden: Netzwerke, KI, Modellierung
Unsere methodischen Schwerpunkte umfassen:
- Netzwerkanalysen: Wir rekonstruieren mikrobiell-ökologische Interaktionsnetzwerke (z. B. durch Co-Occurrence oder Cross-Convergent Mapping) und identifizieren deren strukturelle Eigenschaften. Mittels Energy Landscape Analysis modellieren wir die Stabilität solcher Systeme unter verschiedenen Umweltbedingungen.
- Künstliche Intelligenz: Wir nutzen Deep-Learning-Modelle, um z.B. Zooplankton auf hochauflösenden Bilddaten (z. B. aus dem LOKI-System) zu identifizieren und quantifizieren. Das von uns entwickelte Tool DeepLOKI erlaubt automatisierte, schnelle und objektive Auswertungen großer Bildmengen.
- Mathematische Modellierung: Wir verwenden die Energy Landscape Analysis, um die ökologische Stabilität und Dynamik zu untersuchen. Diese Methode stellt mögliche Systemzustände als “Energielandschaft” dar, wo Täler stabile Gemeinschaften und Hügel Übergangszustände zeigen. Indem wir Zeitreihendaten in diese Landschaften einbetten, können wir stabile Konfigurationen, Reaktionen auf Störungen und Übergangspfade zwischen Zuständen erkennen. Diese Methode bietet eine einfache Visualisierung und Bewertung der Stabilität mikrobieller Netzwerke bei sich ändernden Bedingungen.
Diese Methoden bilden ein übertragbares Set an Werkzeugen für unterschiedlichste ökologische Fragestellungen und sind explizit auch auf terrestrische Systeme wie Pflanzen- oder Bodenmikrobiome anwendbar.
Marine Datensätze & Kooperationen
Unsere Forschung basiert auf einzigartigen Datensätzen aus dem Arktischen Ozean, die über Jahre hinweg im Rahmen der Langzeitobservatorien LTER HAUSGARTEN und FRAM gesammelt wurden. Besonders hervorzuheben sind autonome Sampler, die auch während der Polarnacht kontinuierlich Proben nehmen – ein weltweit einzigartiger Datensatz.
Kooperationspartner sind unter anderem:
- das Alfred-Wegener-Institut (Bremerhaven),
- British Antarctic Survey (BAS),
- die CEPLAS Graduiertenschule für Pflanzenwissenschaften (im Kontext übertragbarer Methoden),
- sowie verschiedene Bioinformatikgruppen in Deutschland.
Die so entstehenden Datensätze sind öffentlich zugänglich und dienen als Grundlage für vergleichende Analysen mit marinen und terrestrischen Mikrobiomen.
PolarBot
PolarBot ist ein innovatives Wissenschaftskommunikationsprojekt, das einen KI-gestützten Chatbot nutzt, um Forschung zu den Polarregionen und dem Klimawandel verständlich und interaktiv zu vermitteln. Der Chatbot befindet sich auf einer benutzerfreundlichen Webplattform und ist für Menschen aller Alters- und Wissensgruppen geeignet. Ziel ist es, auf spielerische Weise Interesse an polarforschungsspezifischen Themen zu wecken und wissenschaftlich fundierte Antworten zu liefern – sowohl für interessierte Laien als auch für Schüler*innen, Familien und Studierende.
Neben seiner Nutzung auf der Webseite ist PolarBot auch für den Einsatz im Rahmen von Ausstellungen, Bildungsformaten oder Veranstaltungen konzipiert. Besucher*innen können gezielt Fragen zu gezeigten Bildern oder Videos stellen und erhalten direkt kontextbezogene Erklärungen – was klassische Ausstellungskonzepte durch eine individuelle, dialogbasierte Komponente ergänzt. Die technische Umsetzung erfolgt in Zusammenarbeit mit der Conversational-AI-Plattform Cognigy, die in Düsseldorf ansässig ist.
Auch bei der Entwicklung und inhaltlichen Ausgestaltung des Chatbots arbeiten wir regelmäßig mit Studierenden im Bachelor- und Masterbereich zusammen – insbesondere in den Bereichen Data Literacy, Kommunikationsdesign und Umweltbildung.
Der PolarBot kann unter folgemdem Link gefunden werden: http://polarbot.hhu.de/
Fragestellungen
Unsere Forschung adressiert folgende zentrale Fragen:
- Wie beeinflussen Klimawandel, Atlantifikation und Eisschmelze die Struktur und Funktion mariner Mikroorganismengemeinschaften?
- Welche Arten gelten als Schlüsselarten oder Indikatoren für ökologische Stabilität?
- Wie verändern sich Interaktionsnetzwerke im Laufe des Jahres und unter variierenden Umweltbedingungen?
- Welche saisonalen Muster sind stabil, und welche unterliegen klimabedingten Verschiebungen?
- Wie kann man Methoden der Zeitreihenanalyse, Netzwerkanalyse und KI auf andere Systeme – etwa Boden- oder Pflanzenmikrobiome – übertragen?
Ziel ist es, durch modellbasierte und datengetriebene Forschung robuste ökologische Indikatoren für Umweltveränderung zu entwickeln – sowohl im marinen als auch im terrestrischen Bereich.
Kontakt: Dr. Ovidiu Popa, Dr. Ellen Oldenburg